Donnerstag, 10. März 2011

Verschenkt es oder vergesst es

Die Regierung hält am Biosprit fest und will mehr Reklame dafür machen. Doch Werbeprofis sehen schwarz. Sie halten das Produkt für nicht mehr vermittelbar. Sogar Michael Schumacher könnte den Unmut nicht bändigen

Die Verantwortlichen haben den Fehler gemacht, E10 als chemische Formel zu behandeln, statt als etwas hoch Emotionales. Dabei geht es um des Deutschen liebstes Kind: das Auto

Das Problem ist, dass beim Thema Biosprit mittlerweile aus Vorurteilen schon Urteile geworden sind, und zwar keine positiven

Pack' den Ethanol in den Tank"? Nein. "Aral - alles Biomasse"? Irgendwie auch nicht. "Und säuft und säuft und säuft..."? Auf keinen Fall! Die Bundesregierung hat beim sogenannten Benzin-Gipfel am Dienstag beschlossen, an dem gefloppten "Bio-Sprit" E10 festzuhalten. Der umstrittene Kraftstoff soll einfach besser beworben und dem unwilligen Autofahrer so doch noch in den Tank gedrückt werden. Doch wie genau könnte eine Kampagne aussehen, die den Deutschen doch noch die versteckten Vorzüge des Öl-Ethanol-Gemischs nahe bringt? Die Kreativkräfte der großen Werbeagenturen sind ratlos.

"Bei E10 haben wir es mit einem echten Kommunikations-Gau zu tun", sagt Uli Veigel, Chef der Düsseldorfer Grey Group. Der Werbeexperte betankt zwar privat ohne Scheu seinen Volkswagen mit dem neuen Treibstoff. Doch er bezweifelt, dass der Agrar-Sprit selbst mit einer groß angelegten Kampagne noch zum Kassenschlager werden könnte. "Das Vertrauen jetzt noch zurückzugewinnen ist schwierig, sehr schwierig. Viel schlechter als bei E10 hätte man eine Produkteinführung kaum machen können. Die Verunsicherung ist eine vollständige ", urteilt Veigel, der seit Jahren für Kunden aus der Automobil-Industrie tätig ist.

Eine Kampagne im Vorfeld der Markteinführung hätte nach Ansicht des Marken-Experten durchaus geholfen, zumindest einige deutsche Autofahrer zu E10-Freunden zu machen. "Da hätten Menschen aus Brasilien oder Frankreich, wo es die Ethanol-Beimischungen schon länger gibt, über ihre Erfahrungen mit diesem Benzin sprechen können", schlägt er vor. "Auf jeden Fall bräuchte eine Kampagne ein Gesicht, einen vertrauensvollen Menschen zum Anfassen. Eine Identifikations-Figur, eine Art Franz Beckenbauer, der alle Beteiligten überzeugen kann." Allerdings mit einer allseits anerkannten Automobilexpertise und Technik-Hintergrund. Der müsse den Leuten erklären, was es mit E10 tatsächlich auf sich hat. "Auf keinen Fall brauchen wir ein anonymes technokratisches Gremium".

Tatsächlich aber sei gar nicht erst versucht worden, Vertrauen in das neue Produkt aufzubauen. Ein Hauptproblem beim E10 sei von Anfang an gewesen, dass so viele mitreden durften - von diversen Ministerien über Mineralöl-Konzerne und die unterschiedlichsten Verkehrsclubs bis zum Bauernverband. "Es ist immer problematisch, wenn viele Gruppen beteiligt sind und offenbar keiner den Hut aufhat. Das war zuletzt beim ersten, gescheiterten Versuch der Einführung der Lkw-Maut so", erinnert Veigel. Die Verantwortlichen hätten überdies den Fehler gemacht, E10 als chemische Formel zu behandeln, statt als etwas hoch Emotionales. Doch genau das sei es, erklärt Werbeprofi Veigel. "Schließlich geht es um des Deutschen liebstes Kind: das Auto".

Schon der Name E10 - die Kurzformel für einen Bio-Ethanolgehalt von zehn Prozent - ist aus der Sicht von Markenstrategen ein mittlerer Albtraum. In diesem Fall kann man Bundesregierung und Mineralölindustrie allerdings kaum einen Vorwurf machen. Denn die EU-Vorgaben aus Brüssel erlauben keine andere offizielle Bezeichnung. Der schnell lancierte Beiname Bio-Kraftstoff klang da zwar schon viel besser, richtet sich mittlerweile aber mehr und mehr gegen das Produkt. Denn gerade der offensichtliche Mangel an ökologischem Nutzen, wie er von praktisch allen Umweltexperten konstatiert wird, ist der Hauptkritikpunkt an dem Produkt.

Ist der Ruf erst ruiniert, dann helfen auch die teuersten Testimonials nicht mehr. So nennen Werber es, wenn Prominente sich als Kronzeugen für eine Kampagne hergeben. "Ein Michael Schumacher, der sagt: `Ich tanke E10, würde nicht weiter helfen. Dazu steckt das Thema zu sehr in der Sackgasse", fürchtet Karen Heumann, Vorstand Strategie bei Jung von Matt. Das Problem sei, dass beim Thema Biosprit mittlerweile aus Vorurteilen schon Urteile geworden seien, und zwar keine positiven. Die meisten Autofahrer sind fest davon überzeugt, dass E10 keinen ökologischen Nutzen oder sonstige Vorteile hat.

Eine kurzfristige Kampagne hält Heumann derzeit für aussichtslos. Stattdessen empfiehlt sie Regierung und Mineralölindustrie eine Strategie, die eher aus der Krisen-PR bekannt ist, als aus der klassischen Werbung. Die Verantwortlichen müssten zunächst Selbstkritik üben. Alle Beteiligten müssten erklären, dass sie die Argumente der E10-Gegner verstanden hätten und sie ernst nähmen. "Es muss ein Gang nach Canossa werden", sagt die Werbestrategin. "Die Aufklärungskampagne kann nur mit dem Eingeständnis beginnen: Wir haben verstanden, wir akzeptieren die Kritik, und jetzt tun wir alles, um aufzuklären."

Es müsse wieder ein Gefühl der Vernunft entstehen, und das gehe nur durch echte Aufklärung, die verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnt. "Dem Autofahrer muss erklärt werden, warum E10 die Lösung der Umweltprobleme sein soll", fordert Heumann. "Wenn am Ende nur das Argument übrig bleibt, dass das Biobenzin Deutschland ein Stück weit unabhängiger vom Rohöl machen kann, dann ist das für die Akzeptanz ein bisschen viel verlangt von den Bürgern."

Ein "Bio"-Treibstoff, der Menschen in der dritten Welt das Essen wegnimmt, und eher schlecht für die Umwelt und auch noch weniger leistungsfähig ist als normaler Sprit, lässt sich offenbar nicht gut verkaufen. "Das Problem beim E10 liegt mehr im Produkt als in der Kommunikation", vermutet jedenfalls Bernd Heusinger, Gründer und Chef der Agentur Zum Goldenen Hirschen. Bei beschönigender Kommunikation würden Leute sehr schnell bemerken, dass die Realität des Produktes nicht damit übereinstimme. Es ließe sich bestenfalls ein kurzzeitiger Effekt erzielen, nicht jedoch ein langfristiger Erfolg. "Wir würden daher von einer Werbeoffensive abraten."

Wenn es das überhaupt gibt, dass eine Werbeagentur bei einer millionenschweren Kampagne einfach abwinkt, dann offenbar im Fall von E10. "Es gibt durchaus Produkte, die eine zweite Chance bekommen haben, der Smart zum Beispiel. Es ist aber nicht der Regelfall", begründet Heusinger seinen Pessimismus. Sei ein Produkt beim Kunden erst mal durchgefallen, dann helfe in den meisten Fällen keine noch so gute und intensive Werbung mehr.

"Wenn man E10 unbedingt durchsetzen will am Markt, dann wird das wohl nur durch noch größere Preisunterschiede zwischen dem Bio-Sprit und herkömmlichen Super-Benzin gehen", gibt Heusinger der Bundesregierung noch auf den Weg. Allerdings schränkt er ein: Selbst wenn er den Sprit praktisch verschenkt, würde das den Umweltminister nicht bei allen beliebt machen. "Das wiederum würde natürlich Empörung auslösen bei jenen, deren Autos kein E10 vertragen. Und bei jenen, die das Zeug partout nicht tanken wollen."

Hat Minister Röttgen also schon verloren, wenn er jetzt noch gegen die Biospritverweigerung der fahrenden Bevölkerung ankämpft? Nicht unbedingt, meint Sebastian Hardieck von BBDO. "Es ist nicht grundsätzlich falsch, sich gegen den Volkswillen zu stellen. Zuweilen werden Politiker ja in der öffentlichen Meinung für Standhaftigkeit sogar belohnt", sagt der Kreativchef. Wenn es darum geht, Verhaltensänderungen zu erreichen, könne sich Beharrlichkeit durchaus auszahlen. Ein Beispiel sei der Smart, den anfangs auch keiner wollte.

Infolisten an den Tankstellen könnten da ein guter erster Schritt sein. "Der zweite muss sein, den Autofahrern zu erklären, was sie von dem neuen Benzin haben. Wichtig ist, das eine zentrale Argument zu finden, das für E10 spricht. Ein Argument, das einfach zu verstehen ist, das die Leute glauben und das sie gerne weitererzählen."

Problematisch werde es allerdings, wenn es dieses Argument nicht gebe. "Wenn ein Produkt schlecht ist, dann beschleunigt gute Kommunikation nur sein Sterben."

Quelle: http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article12756026/Verschenkt-es-oder-vergesst-es.html

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