Samstag, 5. März 2011

Von unterschätzten Nebenwirkungen und Risiken

Ein Kommentar von Jens Brommann, NDR Info
Man nehme: eine EU-Kommission, drei Bundesminister, 16 Bundesländer und lasse sie mit sechs Mineralölkonzernen, 50 Autoherstellern, 14.000 Tankstellenbetreibern und 38 Millionen privaten Autobesitzern ziemlich lustlos vor sich her wurschteln - was kommt dabei raus? Murks, was denn sonst!
Das jetzige E10-Desaster war absehbar. Und die Bundesregierung hätte es wissen und verhindern müssen. Wer im Herbst mit einem Kabinettsbeschluss den gesamten deutschen Benzinmarkt umkrempeln will, den die Bundesländer erst Ende November absegnen, kann nicht erwarten, dass ein gesamtes Autofahrervolk innerhalb weniger Wochen per Knopfdruck an der Zapfsäule umgepolt werden kann. Und er muss damit rechnen, dass mächtige Lobbyverbände jene Spielräume und Schlupflöcher nutzen, die ihnen der Gesetzgeber offen gehalten hat und die sie mit ihrer Marktmacht durchsetzen können.
Das aktuelle Fiasko mit den Biokraftstoffen ist zunächst einmal ein politisches Fiasko - das vor allem die Bundesregierung zu verantworten hat. Nicht die EU-Kommission, denn die hat den Mitgliedsländern viele Gestaltungsfreiheiten eingeräumt, wie sie die vorgegeben Klimaschutzziele erreichen können.
Ob der beigemischte Bio-Alkohol tatsächlich die Umwelt schont und der Menschheit dient, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden. Denn die hierfür notwendigen Ackerflächen müssen erst geschaffen oder umgewidmet werden. Das kann die weltweite Versorgung mit Lebensmitteln gefährden und den Kohlendioxidausstoß sogar noch steigern.
Dass Mineralölkonzerne mit dem ungeliebten Bio-Konkurrenzprodukt jetzt kräftig abkassieren, mag man anrüchig finden, überraschen kann es niemanden. Die mehr als kartellverdächtige Preispolitik der Mineralölkonzerne - nicht des einzelnen Tankstellenbetreibers - sticht jedem Autofahrer in die Augen. Das war bei der bewusst herbeigeführten Verdrängung des Normalbenzins der Fall, und das ist jetzt so beim ungeliebten E10. Während der in übervollen Tanks ungenutzt lagert, versuchen Aral, Shell & Co die Tanks für das hergebrachte Superbenzin austrocknen zu lassen und nur noch  Super Plus anzubieten, mit kräftigen Aufschlägen für die E10-ungläubige deutsche Autofahrerschar.
Das ist wirtschaftliche Abzocke des Verbrauchers mit politischer Duldung. Denn ähnlich wie die Autohersteller haben sich auch  die Mineralölkonzerne über die Praxistauglichkeit des neuen Biokraftstoffes überaus bedeckt gehalten.  
Wenn mindestens 35 Millionen Autofahrer in Deutschland E10 bedenkenlos tanken können, das aber nicht wissen, dann ist das ein Informationsgau. Der eilig einberufene Benzingipfel nächste Woche soll Erste Hilfe leisten. Hoffen wir. Nach diesem Einführungsdesaster ist alles möglich - auch ein weiterer Informationsgau mit vagen Absichtserklärungen.

Quelle: http://www.ndr.de/info/programm/sendungen/kommentare/kommentar1203.html

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